Gottfried Bechtold – Beispiele aus 50 Jahren
(21. Oktober 2017 – März 2018)

In unserer Ausstellung Gottfried Bechtold – Beispiele aus 50 Jahren zeigten wir eine Auswahl an Werken von Gottfried Bechtold aus den letzten 50 Jahren seines künstlerischen Schaffens.

Ausstellungstext von Margareta Sandhofer

Die Exponate umfassen eine ganz schöne Zeitspanne, von 1967 bis 2017, einen großartigen Zeitraum. Wir erhalten hier keinen Überblick, sondern ein paar Augenblicke in diesem weitgreifenden Œuvre, das schon allein in seiner Heterogenität auffällt. Und diese pointierte Auswahl setzt faszinierende Spannungsmomente frei. Einige dieser aparten Pointen will ich in ein paar Überlegungen noch weiter zuspitzen.

Das Spektrum der ausgestellten Werke zeigt Bechtolds müheloses Flanieren zwischen diversen Medien und Techniken: Zeichnung, Malerei, Fotografie, Collage, ein Relief, eine kleine Installation und wenige – nur drei – Skulpturen. Und doch ist es für mich der Bildhauer, der sich in diesen Werken mitteilt, ist seine Auffassung durch und durch skulptural – was ich an ein paar Exempeln darlegen möchte.
Gleich zu Beginn anhand des weiblichen Aktes: Hier haben wir die Skulptur Maid und Zeichnungen. Auch im klassischen Genre der Aktdarstellung thematisiert Bechtold nicht die Schönheit oder Weiblichkeit des Körpers, auch keine Individualisierung der Dargestellten, sondern die Auseinandersetzung mit bildhauerischen Grundproblematiken.
Die Beschäftigung mit dem Akt scheint überhaupt erst erstaunlich spät im Schaffen von Bechtold auf. Die Skulpturen der 1989 ansetzenden Serie der Ready Maids und der Dianen haben mit einer herkömmlichen Aktdarstellung wenig zu tun. Es sind aufgefundene Astgabelungen, die auf den Kopf gestellt sind und so an den Torso von schlanken weiblichen, oder eigentlich mehr androgynen Menschen erinnern. Bechtold hat diesen Gedankengang als skulpturales Potenzial des eigentlich alltäglichen Fundstücks erkannt, ihn aufgegriffen, und durch die jeweilige Oberflächenbehandlung noch gesteigert. Die prominenteste Figur dieser Werkgruppe steht vor dem Bregenzer Festspielhaus, und deren Name Ready Maid ist mehr ein ironischer Bezug auf die herausgeputzten Festspielgäste und in zweiter Linie eine Hommage an Marcel Duchamp – und Bechtolds Werk somit eine Generierung von dessen bekannter Findung des Ready-made.
Der Titel der hier ausgestellten Figur ist Maid, also die Hälfte des Titels Ready Maid. Auch die Darstellung des Torsos der Maid umfasst etwa das halbierte Körpermaß der größeren Figur: Der Rumpf und die Beine sind im Vergleich zur großen Ready Maid gekürzt, es ist ein torsierter Torso. Und auch wenn dieser ziemlich sinnlich und verführerisch geraten ist, ist das Werk das Resultat eines mathematischen Schachzugs.

Es ist ein konsequentes Spiel der Verdoppelung, das Bechtold ganz gerne betreibt, nur in diesem Fall der besprochenen Maid invertiert. Gegenbildlich dazu steht die Arbeit Marianne: Eine fotografierte Fotografie, verdoppelt durch die Spiegelungen der dazwischen positionierten Glasscheiben. Es kommt zu einer übereinanderliegenden doppelten Spiegelung von Objekt und Fotograf, beides ist nur mehr mühsam auszumachen. Verwirrend und irritierend, und genau das soll es sein. – Oder: Die Zeichnung Signatur ist nichts weiter als eine Multiplikation der Signatur, obsessiv getrieben, nahezu bis zur Unkenntlichkeit, und doch ist sie ein Bild, und ganz nebenbei ein ironischer Kommentar zur marktspezifischen Bedeutung der Signatur des Künstlers.

Begrifflichkeiten wie Bezeichnetes und Bezeichnendes sind gegenübergestellt, in Überblendungen verstärkt und dann wieder durch sich selbst ausgelöscht, also miteinander verschlungen – und ich behaupte, lustvoll ins Schlingern gebracht. Die vorgetragene Ernsthaftigkeit entpuppt sich als Doppelbödigkeit.

Ich möchte nochmal zurück zum Akt, und zwar zu den Aktzeichnungen: Nackte Damen hantieren mit Kuben und anderen geometrischen Formen. Es ist mehr als ein durchwegs skulpturaler Blick auf beiderlei Gegensätze: Denn die abstrakten statischen Volumina stehen nicht nur im Kontrast zu den lebendigen weichen Körpern der Damen, sondern in einem eigenartig spielerischen Verhältnis. Die Akte sind keineswegs beschönigt dargestellt, doch irgendwie liebevoll von einem bestechenden Charme, der vor allem in den Bewegungen liegt, in der Zugewandtheit, mit welcher diese den minimalisierten Formen tänzelnd begegnen. Es ist ein humoristisches Reflektieren über das Gegenüber von Mensch und abstrakter Form, oder Mensch und geistigem oder künstlerischem Artefakt – oder über den Bildhauer und seine Bildhauerei.

Genauso wird das Flugzeug bildhauerisch aufgefasst: Ein schwerer technoider Körper, eine glänzende Skulptur, die der Schwerkraft trotzt und heroisch der Sonne entgegenfliegt. Bezeichnenderweise war das historische Modell namens Herkules in mehreren Projekten Bechtolds der favorisierte Protagonist. In zwei fotografischen Arbeiten dieser Ausstellung wird dieses spezielle Flugzeug überhöht ins Licht gerückt.
Als wolle Bechtold sich und seine Arbeit selbst ironisch konterkarieren, sind jenen gleißenden Fotografien die Ölmalereien fiktiver Flugzeugabstürze gegenübergestellt. An der gewaltigen Masse der Berge, die selbst als kantige, fast brutal-enorme Skulptur das natürliche Hindernis für die menschliche Hybris darstellt, scheitert dann der kulturelle Höhenflug. Das technoide Konstrukt, die stolze erhabene Skulptur zerschellt und endet als ein geborstener Körper in wertlosen Fragmenten.

Ein fast unmoralisches Vergnügen scheint hinter der Motivation zu diesen Bildern zu stehen: Das an sich katastrophale Ereignis ist in fröhlich bunter Farbigkeit wiedergegeben, gepaart mit der nahezu kindlichen Malweise des Dilettanten, was subversiv Unschuld anklingen lässt. Bechtold selbst hat die Gemälde dann, dem ehrwürdigen klassischen Metier der Ölmalerei entsprechend, wie repräsentative Historienbilder in schmuckem Gold gerahmt und im eigenen Atelier gehängt – und damit vielleicht so manchen Besucher verunsichert. Die reine Freude am Kunst-Machen an sich ist hier genauso zugegen wie eine ziemlich untergrabende Ironie und Selbstironie. Und nicht zuletzt wird die Frage nach der Repräsentationswürdigkeit von Kunstwerken aufgeworfen – übrigens auch ein Thema, das ihn mit dem verehrten Marcel Duchamp verbindet.

Wir begegnen also in dieser Ausstellung einem höchst ambivalenten Werk: Einem sehr freien bildnerischen Handeln, kraftvoll und von inhaltlichem und theoretischem Tiefgang, gebunden an eine mitunter sehr eigensinnige Ästhetik, voll Subversion und Charme, Ironie und Selbstironie, und viel Humor. Eine unverfrorene Lust an der Doppelbödigkeit als ein leidenschaftliches Bekenntnis zu einer souveränen Eigenwilligkeit im Kunstschaffen funkt zumindest mir aus vielen dieser Werke entgegen. Vielleicht ist es gerade das, was uns so empfänglich macht für das Werk von Gottfried Bechtold.